Ja, es ist Kunst, keine Werbung! Das Ärztezentrum an den Treptowers: Wachgeküsst aus dem unschönen Dornröschenschlaf von der spark::ling AG-Immobilien Projektentwicklung. Entworfen vom Berliner Pop-Art Künstler Sergej Alexander Dott. Insgesamt 10 Skulpturen. 12 Meter hohe, als Kamille, Ringelblume und Beifuß stilisierte Heilpflanzen. Aber was will uns der Künstler damit sagen, was ist die Absicht dahinter?
Zuerst einmal ist es Pop-Art. Auf den Punkt gebracht, bedeutet es Alltagsgegenstände in knalligen Farben und meist gigantischer Dimension in den öffentlichen Raum zu stellen. Dabei bleibt das, was man sieht, die Skulptur, das Kunstobjekt, selbst immer klar und explizit in seiner Darstellung. Jeder versteht es und kann es sofort mit Worten beschreiben. Auch mit den enormen Heilpflanzen aus dem Dott'schen Kräutergarten ist das so. Wo vorher ein tristes Gebäude an einer viel befahrenen Straße stand, steht jetzt "das Haus mit den Blumen". Nicht mehr der Straßenname sondern das Kunstwerk wird zum Bezugsystem, wenn man zukünftig nach dem Weg fragt.
Wer weiß, dass es sich um Heilpflanzen handelt und die über 50jährige Nutzung des Gebäudes als Ärztehaus kennt, wird den thematischen Bezug leicht entschlüsseln können. Dem modernen, eher weniger mit Kräutern vertrauten Großstädter, mag es trotzdem noch dämmern, wenn er die bekannten Kamillenblüten auf den Wellness-Tees in seiner Küche an einer der Riesenskulpturen wiedererkennt. Aber ist das schon die ganze Antwort auf die Frage nach dem Warum?
Nein, das war noch nicht alles. Es verbirgt sich noch ein anderer, viel tiefgründiger Aspekt hinter den Riesenblumen. Wie bei einem guten Wein, muss man sich dafür Zeit nehmen. Das Kunstwerk nicht nur betrachten sondern daran entlang schreiten, es erleben. Und man erinnert sich vielleicht, weshalb die meisten Menschen einen Arzt aufsuchen. Nicht aus Freude, sondern weil es um ernste Dinge geht. Um Krankheit, um Schmerzen, Angst und Leiden. Und dann blickt man wieder auf das Gebäude und sieht die frischen Farben der Blüten, die Blätter mit ihrem verspielten Schattenwurf und die, gegenüber der Natur, wirklich überdimensionierten Pflanzen, wie sie trotz ihres Gewichtes mit einer freundlichen und leichten Art auf einen herabschauen. Das ist scherwiegende Poesie.
Sieht so ein Ort aus, an dem Schmerzen, Angst und Leiden einen hohen Stellenwert haben? Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, im Gebäude befände sich eine Kita mit schreienden, herumtollenden und fröhlichen Kindern. Widerspricht es vielleicht sogar der Würde eines Ärztehauses, oder ist es genau die richtige Antwort den ernsten Umständen mit einer provokanten Heiterkeit entgegenzutreten? Genau um diese Frage geht es. Darauf gibt es sicherlich viele Antworten, aber kein richtig oder falsch. Die Antwort des Künstlers jedenfalls dürfte, frei nach Bertold Brecht lauten: "Man kann über ernste Dinge heiter sprechen und über heitere Dinge ernst."